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3. Arbeitszeit


Hat ein Assistenzarzt Anspruch auf (Voll-) Vergütung seines Bereitschaftsdienstes?

Der Kläger war als Assistenzarzt bei der Beklagten beschäftigt. Über die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden hinaus leistete er regelmässig wöchentlich einen Bereitschaftsdienst von 16.30 Uhr oder 17.00 Uhr bis 8.00 Uhr des Folgetages und alle 14 Tage einen 24stündigen Bereitschaftsdienst. Die Vergütung des Bereitschaftsdienstes war im Arbeitsvertrag geregelt, woraufhin die Beklagte dem Kläger für die Dauer des Bereitschaftsdienstes im Ergebnis etwa 68% der Vergütung der regulären Arbeitszeit zahlte.

Der Kläger wollte eine Bezahlung seines Bereitschaftsdienstes in Höhe von 125% der Vergütung seiner Normalarbeitszeit. Er war jedoch in allen drei Instanzen erfolglos. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass der Bereitschaftsdienst eine Leistung darstellt, die wegen der geringeren Inanspruchnahme des Arbeitnehmers niedriger als die sogenannte Vollarbeit vergütet werden darf. Auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, wonach Bereitschaftsdienst Arbeitszeit ist, ändert daran nichts.

Die pauschale Vergütungsvereinbarung der Parteien richtete sich an einer während der Bereitschaftsdienste maximal zu erwartenden Vollarbeit aus. Das ist zulässig. Der Kläger hat nicht Freizeit ohne Vergütung geopfert. Er hat für die geleisteten Bereitschaftsdienste eine Vergütung erhalten, die nicht als unangemessen bezeichnet werden kann.

BAG, Urteil vom 28.01.2004, 5 AZR 530/02

Gilt Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit?

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat in einer Rechtsfrage, ob das deutsche Recht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften angerufen.

Ausgangspunkt war ein Fall, in dem ein Assistenzarzt, der regelmässig Bereitschaftsdienste leistete, der Ansicht war, dass die von ihm geleisteten Bereitschaftsdienste vollständig als Arbeitszeit anzusehen sind.

Im deutschen Recht wird zwischen „Arbeitsbereitschaft“, „Bereitschaftsdienst“ und „Rufbereitschaft“ unterschieden. Nur die Arbeitsbereitschaft gilt als volle Arbeitszeit. Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft werden hingegen als Ruhezeit angesehen, ausser für die Dauer der Wahrnehmung beruflicher Aufgaben.

Die Gemeinschaftsrichtlinie der EU steht der nationalen Regelung entgegen, wonach ein solcher Bereitschaftsdienst - mit Ausnahme der Zeiten tatsächlicher Tätigkeit – als Ruhezeit eingestuft wird.

Entscheidend ist, dass ein Bereitschaftsdienst, der an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort geleistet in vollem Umfang als Arbeitszeit angesehen wird selbst wenn der Arzt sich in der Zeit, in der er nicht in Anspruch genommen wird, ausruhen kann.

Dabei, so der Gerichtshof, müsse sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten und jederzeit sofort seine Leistungen erbringen. Damit sind auch die Ruhezeiten ein Bestandteil der Wahrnehmung ihrer Aufgaben, mithin sind sie als Arbeitszeit in vollem Umfang anzusehen. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Ruheraum zur Verfügung stellt. Schliesslich ist der Arzt, der sich an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhält in der Zeit von seinem familiären und sozialen Umfeld getrennt, was ihn von dem Arzt unterscheidet, der einer Rufbereitschaft unterliegt.

Im Ergebnis ist also die nationale Regelung, wonach Bereitschaftsdienste nur dann als Arbeitszeit angesehen werden, wenn auch der Dienst tatsächlich in Anspruch genommen wird, mit der EU – Gemeinschaftsrichtlinie nicht vereinbar.

EuGH, Urteil vom 09.11.2003, C – 151/02

Nach diesem Urteil wurde eine Änderung des ArbZG notwendig. Der Deutsche Bundestag hat am 29.09.2003 im Rahmen des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt die Änderung des Arbeitszeitgesetzes beschlossen. Danach werden nun alle Berufstätigen, die Bereitschaftsdienste leisten zukünftig maximal 48 Stunden in der Woche arbeiten sollen. Bei der Ermittlung der täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeit müssen jedoch der Bereitschaftsdienst und die Dauer der Arbeitsbereitschaft mit ihrer vollen Dauer einbezogen werden. Diese Dienste bleiben also auch weiterhin zulässig. Sie sind jedoch in vollem Umfang an die gesetzliche Höchstarbeitszeit anzurechnen.

Um zu verhindern, dass damit starre Strukturen eintreten, die die Dienste erschweren wird als rechtlicher Rahmen für die Arbeitszeitorganisation bei Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst ein abgestuftes Modell eingeführt:

Die tägliche Arbeitszeit über zehn Stunden hinaus kann bei einer Vereinbarung der Tarifvertragsparteien verlängert werden, wenn sie regelmässig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst enthält. Die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit soll aber weiterhin acht Stunden betragen. Ein Ausgleich für Mehrarbeit muss dann spätestens innerhalb von zwölf Monaten erfolgen.

Eine weitere Arbeitszeitverlängerung ist dann möglich, wenn wegen besonderer Erfordernisse und Ausgangsbedingungen über dieses Modell hinaus keine geeigneten Arbeitszeitlösungen möglich sind.

Dann können die Tarifvertragsparteien vereinbaren, dass die Arbeitszeit auch ohne Zeitausgleich über die acht Stunden tägliche Arbeitszeit hinaus verlängert werden darf. Voraussetzung ist, dass die Arbeitszeit regelmässig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst anfällt. Wann die besonderen Erfordernisse vorliegen muss je nach Branche unterschiedlich entschieden werden. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit darf aber auch dann nicht 48 Stunden überschreiten. Ausserdem muss durch besondere Regelungen sichergestellt werden, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird. Der betroffene Arbeitnehmer muss darüber hinaus in eine Verlängerung der Arbeitszeit ohne Zeitausgleich einwilligen. Bei Nichteinwilligung oder Widerruf der Einwilligung besteht ein Benachteiligungsverbot. Diese Regelungen gelten für den Bereitschaftsdienst und die Arbeitsbereitschaft. Nicht jedoch für die Rufbereitschaft. Die wesentlichen Änderungen befinden sich in § 7 ArbZG.

Dienstreise als Arbeitszeit?

Der Kläger ist wissenschaftlicher Angesellter bei einer Bundesbehörde. Wegen der ihm übertragenen Aufgaben muss er wiederholt Dienstreisen im In- und Ausland unternehmen. Mit seiner Klage hat er für das Jahr 2002 eine Zeitgutschrift von 155 Stunden und fünf Minuten verlangt. Ausserdem wollte er die Beklagte verpflichten, seinen Dienstplan künftig so zu gestalten, dass er arbeitstäglich einschliesslich der Reisezeiten nicht mehr als 10 Stunden eingesetzt wird.

Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, bei Dienstreisen gilt nach den Tarifbestimmungen des öffentlichen Dienstes nur die Zeit der dienstlichen Inanspruchnahme am auswärtigen Geschäftsort als vergütungspflichtige Arbeitszeit. Reisezeiten sind ausgenommen. Der Tarifvertrag stellt sicher, dass dem Arbeitnehmer mindestens die regelmässige tägliche Arbeitszeit vergütet wird, selbst wenn am Geschäftsort weniger gearbeitet wird, § 17 Abs. 2 BAT. Daran hat der neue TVöD grundsätzlich nichts geändert. Es besteht nach der Neuregelung lediglich unter engen Voraussetzungen ein Anspruch des Arbeitsnehmers auf Freizeitausgleich, § 44 Abs. 2 TVöD. Dies tarifliche Regelung verstösst nicht gegen höherrangiges Recht. Dienstreisezeiten müssen nicht wie Arbeitszeit vergütet werden.

Die bei Dienstreisen anfallenden Fahrtzeiten sind auch nach dem geltenden Arbeitszeitschutzrecht jedenfalls dann keine Arbeitszeit, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht die Benutzung eines selbst zu lenkenden Fahrzeugs vorschreibt und dem Arbeitnehmer auch überlassen bleibt, wie er die Fahrtzeit gestaltet. Fahrtzeiten sind dann Ruhezeiten im Sinne des Arbeitszeitgesetzes.

BAG, Urteil vom 11.07.2006, 9 AZR 519/05

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