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6. Betriebsübergang


Ist der Kündigungsschutz ein übergangsfähiges Recht?

Die Klägerin war seit 1993 bei verschiedenen Rechtsvorgängern der Beklagten, zuletzt bei der G GmbH & Co KG und seit dem 01.06.2003 bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 30.03.2004 das Beschäftigungsverhältnis zum 31.07.2004. Die Beklagte beschäftigte zum Zeitpunkt der Kündigung vier Arbeitnehmer mit 25 Wochenstunden, einen Arbeitnehmer mit 10 Wochenstunden und eine Auszubildende.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung. Ihrer Ansicht nach gelte in ihrem Fall das Kündigungsschutzgesetz. Da bei der G GmbH & Co KG mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen seien, bleibe ihr auch nach dem Betriebsübergang der Kündigungsschutz erhalten. Dies ergebe sich aus der entsprechenden Anwendung von § 323 Abs. 1 UmwG. Die Beklagte hingegen ist der Ansicht, das Kündigungsschutzgesetz fände keine Anwendung, da zum Zeitpunkt der Kündigung bei ihr nicht die erforderliche Beschäftigtenanzahl vorhanden war. Das Vorhandensein einer bestimmten Beschäftigtenzahl gem. § 23 KSchG stelle kein nach § 613a BGB übergangsfähiges Recht dar.

Das Arbeitgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte auch keinen Erfolg.

Das Bundesarbeitgericht hat ausgeführt, dass der im Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsveräusserer erwachsene Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz nicht mit dem Arbeitsverhältnis auf den Betriebserwerber übergeht, wenn in dessen Betrieb nicht die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 KSchG vorliegen. Nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB tritt der Betriebserwerber in die Rechte und Pflichten aus dem im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnis ein. Das Erreichen des Schwellenwertes des § 23 Abs. 1 KSchG und der dadurch entstehende Kündigungsschutz ist kein Recht des übergehenden Arbeitsverhältnisses. Auch ist § 323 Abs. 1 UmwG nicht analog anzuwenden.

BAG, Urteil vom 15.02.2007, 8 AZR 397/06

Ist eine nach Betriebsübergang mit dem Erwerber getroffene Neuregelung wirksam?

Die Klägerin war als Verkäuferin bei einer nicht tarifgebundenen Handelsgesellschaft beschäftigt. Ihr Grundgehalt betrug monatlich brutto 1.099,28 Euro. Zusätzlich erhielt sie eine Funktionszulage von brutto 270,98 Euro. Im Wege des Betriebsübergangs ging das Arbeitsverhältnis am 01.06.2004 auf die Beklagte über. Die Parteien vereinbarten am 27.07.2004, das Gehalt auf 1.041,40 Euro abzusenken. Dies entsprach dem bei der Beklagten tariflich geregelten Monatsentgelt. Zum Ausgleich erhielt die Klägerin einmalig eine Zahlung in Höhe von 3.900,00 Euro. Mit der Klage macht die Klägerin geltend, die Änderungsvereinbarung sei unwirksam und forderte die mit dem Betriebsveräusserer vereinbarte Vergütung.

Vor dem Arbeitsgericht hatte die Klägerin Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auch die Revision brachte der Klägerin keinen Erfolg.

Das Bundesarbeitsgericht führt aus, dass § 613 BGB einen Betriebsübernehmer nicht daran hindert, mit dem Arbeitnehmer nach dem Betriebsübergang einzelvertraglich die mit dem Betriebsveräusserer getroffene Vergütungsregelung abzusenken. Eine solche Vereinbarung bedarf keines sie rechtfertigenden Grundes. Die Neuregelung ist wirksam.

BAG, Urteil vom 07.11.2007, 5 AZR 1007/06

Welche Unterrichtungspflichten bestehen beim Betriebsübergang?

Die Beklagte betrieb eine Rehabilitationsklinik mit ca. 40 Beschäftigten. Die Klägerin war dort seit 1967 beschäftigt. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 09.01.2004 der Klägerin mit, dass der Betrieb der Fachklinik ab dem 01.02.2004 an die H. GmbH übergeben werde. Nachdem die H. GmbH die Klinik übernommen hatte, stellte sie alsbald einen Insolvenzantrag. Dem Übergang des Arbeitsverhältnisses hat die Klägerin mit Schreiben vom 03.03.2004 widersprochen. Die Parteien streiten über den Umfang der Informationspflichten beim Betriebsübergang und über die Rechtzeitigkeit des Widerspruchs.

Beim Arbeitsgericht und beim Landesarbeitsgericht hatte die Klägerin keinen Erfolg. Mit der Revision erreichte die Klägerin die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis mit der Veräusserin fortbesteht.

Das Bundesarbeitsgericht führt aus, dass nach § 613a BGB der Arbeitnehmer vom bisherigen Arbeitgeber oder von dem neuen Arbeitgeber über einen Betriebsübergang zu unterrichten ist. Der Arbeitnehmer soll eine ausreichende Wissensgrundlage für sein Widerspruchsrecht bekommen. Zwar ist eine standardisierte Form der Unterrichtung möglich, diese muss aber auch eventuelle Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses erfassen. Massgeblich ist der Bezug zum Arbeitsplatz. Im Gesetz sind die Unterrichtungsgegenstände aufgeführt, § 613a Abs. 5 Nr. 1 – 4 BGB. Darüber hinaus ist der Betriebserwerber identifizierbar zu benennen und der Gegenstand des Betriebsübergangs anzugeben. Erteilte Informationen müssen zutreffend sein. So muss auch sorgfältig über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs informiert werden. Die Widerspruchsfrist gem. § 613a Abs. 6 BGB beträgt 1 Monat nach Zugang der Unterrichtung. Ohne ausreichende oder auch ohne Unterrichtung beginnt die Widerspruchsfrist nicht.

BAG, Urteil vom 13.07.2007, 8 AZR 305/05

Unterliegt das Widerspruchrecht der Rechtsmissbrauchskontrolle gem. § 242 BGB?

Die Klägerin ist bei der Beklagten, einem Unternehmen des Zeitungs- und Verlagswesens, seit vielen Jahren, zuletzt in der Abteilung Anzeigenverkauf, beschäftigt. Auf ihr Arbeitsverhältnis ist ein Beschäftigungssicherungstarifvertrag anwendbar, der eine betriebsbedingte Kündigung bis zum Ablauf des Tarifvertrages am 30.04.2003 ausschliesst. Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten beschloss die Arbeitgeberin, die Aufgaben des Anzeigenverkaufs an ein noch zu gründendes Unternehmen fremd zu vergeben. Die Klägerin und 18 ihrer 20 Kollegen widersprachen dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf dieses Unternehmen, nachdem eine Beratung durch die Gewerkschaft ver.di stattgefunden hatte. Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis am 25.07.2002 ausserordentlich mit einer Auslauffrist zum 30.11.2002.

Das Bundesarbeitsgericht hat den Widerspruch der Arbeitnehmer für wirksam gehalten und die der Kündigungsschutzklage stattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt.

Das Bundesarbeitsgericht hat ausgeführt, dass nach § 613a Abs. 6 BGB ein Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf Grund eines Betriebsübergangs schriftlich widersprechen kann. Ein sachlicher Grund ist für die Ausübung des Widerspruchsrechts nicht erforderlich. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn eine Mehrheit von einem Teilbetriebsübergang betroffener Arbeitnehmer gleichzeitig und mit gleichlautenden Schreiben widerspricht. Das Widerspruchsrecht unterliegt jedoch den allgemeinen Schranken der Rechtsordnung und somit der Kontrolle des Rechtsmissbrauchs gem. § 242 BGB. In diesem Zusammenhang kann es auf die Zweckrichtung oder Zielsetzung des Widerspruchs ankommen. Dient der kollektive Widerspruch lediglich als Mittel zur Vermeidung des Arbeitgeberwechsels ist er unwirksam.

BAG, Urteil vom 20.09.2004, 8 AZR 462/03

Kann ein Widerspruch gem. § 613a Abs. 6 BGB einseitig widerrufen werden?

Der Kläger war bei der A. KG beschäftigt. Diese veräusserte den Bereich Verkehrstechnik, in dem der Kläger tätig war, zum 01.05.2001 an die Beklagte. Der Kläger hat dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte gegenüber der A. KG mit Schreiben vom 20.03.2001 widersprochen. Später erklärte er einen Vorbehalt. Nach einer betriebsbedingten Kündigung der A. KG zum 31.05.2001 widerrief der Kläger seinen Widerspruch. Die A. KG stimmte dem Widerruf zu.

Das Bundesarbeitgericht hat die Klage auf Feststellung des Übergangs des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte abgewiesen.

Das Bundesarbeitsgericht hat ausgeführt, dass ein Arbeitnehmer, der dem Betriebsübergang wirksam widerspricht diesen als einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung nach Zugang beim Erklärungsadressaten nicht widerrufen oder mit einem Vorbehalt versehen kann. Überdies ist nach erklärtem Widerspruch eine zwischen dem Betriebsveräusserer und dem Arbeitnehmer vereinbarte Aufhebung des Widerspruchs dem Erwerber gegenüber unwirksam.

BAG, Urteil vom 30.10.2003, 8 AZR 491/02

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